Gegen das Vergessen, Erinnerung muss erkämpft werden
Gedenkkundgebung am 25. Jahrestag des rassistischen Anschlags in der Probsteigasse
mit Edith Lunnebach, Nebenklagevertreterin der betroffenen Familie, Gamze Kubaşık, Semiya Şimşek Seda Başay-Yıldız und anderen
Am 19. Januar 2001 explodierte in der Probsteigasse eine Bombe in einem Laden einer deutsch-iranischen Familie. Die damals 19-jährige Tochter hatte eine Keksdose, die mit Sprengstoff gefüllt war, geöffnet und erlitt dabei lebensgefährliche Verletzungen. 2011 reklamierte der NSU bei der Selbstenttarnung das Attentat für sich, genauso wie den Anschlag in der Keupstraße 2004 und die Morde an neun Einwanderern und einer Polizistin. Zehn Jahre lang hatten die Ermittler Überlebende, Angehörige, Freunde und Nachbarn verdächtigt, die Opfer zu Tätern gemacht. Die Hintergründe des Anschlags seien unklar. Die Polizei ermittele nach eigenen Angaben in alle Richtungen, berichtete der Kölner Stadtanzeiger nach der Tat: „Ein persönliches Motiv schließen die Ermittler genauso wenig aus wie einen fremdenfeindlichen Anschlag. Vielleicht sei es um Schutzgelderpressung gegangen, wurde ein Nachbar zitiert. Der Geschäftsinhaber habe vermehrt öffentliche Auseinandersetzungen mit Landsleuten gehabt, wurde behauptet.
Die Polizei stellte eine 20-köpfige Mordkommission (EK Probst) auf, die ein Phantombild des mutmaßlichen Attentäters veröffentlichte. Doch die Ermittlungen verliefen im Sand. Keine der beteiligten Behörden maß dem Anschlag größere Bedeutung zu. Dabei gab es eine heiße Spur, das Phantombild wies auf einen stadtbekannten Kölner Nazi hin, der wie sich später herausstellte, ein Informant des Verfassungsschutzes war. Dabei hätten Abfragen beim BKA oder Recherchen in Zeitungen nach weiteren Anschlägen gegen migrantische Gewerbetreibende genügt, um Verbindungen zu der Mordserie herzustellen, dessen erstes Opfer im September 2000 Enver Şimşek in Nürnberg war.
Der Anschlag ist der Probsteigasse ist nicht das einzige nie unaufgeklärte rassistische Attentat in Köln und Umgebung. Bis heute sind die Täter zahlreicher weiterer Verbrechen auf freiem Fuß, darunter einer Serie von Brandanschlägen, in der Platenstraße im Dezember 1992 und in Humboldt-Gremberg 1994, darunter auf eine städtische Unterkunft, bei dem neun Romnja* zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Eine 61-jährige Frau starb zwei Wochen später an den Folgen ihrer Verletzungen. Bei einem Brandanschlag auf einen Lebensmittelladen in der Trierer Straße war Anfang Februar 1994 nur deshalb niemand zu Schaden gekommen, weil ein Taxifahrer die Explosion der Molotowcocktails gesehen und sofort die Feuerwehr verständigt hatte.
Die Überlebenden und ihre Angehörigen kämpfen bis heute gemeinsam mit Initiativen in ganz Deutschland für Aufklärung, Gerechtigkeit, Konsequenzen und für ein selbstbestimmtes Gedenken.
In Erinnerung an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat, Michèle Kiesewetter und alle anderen Opfer rassistischer und antisemitischer Gewalt.
Veranstalter: Initiative „Herkesin Meydanı — Platz für alle"